Aktuelles

12
Nov 2014
Posted By: In: Aktuell, Presse, 0 Comments

Bremen verweigert der Pflege Mitsprache im neuen Landesgremium

Sehr geehrter Herr Dr. Schulte-Sasse,

mit diesem offenen Brief wenden sich die neun Berufsverbände, die im Bremer Pflegerat vertreten sind, einstimmig gegen Ihre Entscheidung, der professionellen Pflege eine Mitwirkung an wichtigen Schaltstellen zur Zukunftsgestaltung unseres Gesundheits- und Sozialwesens zu versagen. Wir sind enttäuscht und verärgert über diese bewusste Missachtung der beruflichen Pflege in Bremen.


Zum Hintergrund:

offener-Brief-Thumbnail-200px
Der Bremer Pflegerat hatte einen Sitz in dem neuen Landesgremium beantragt, das die defizitäre Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern und ambulanten Dienstleistern verbessern soll. Endlich werden die Versorgungslücken thematisiert, durch die Patientinnen und Patienten belastet werden. Vorschläge für eine bessere Kooperation und Koordination zwischen ambulanten und stationären Gesundheitsdienstleistern werden dort erarbeitet. In dem Gremium sitzen paritätisch Leistungserbringer nach SGB V und die Kostenträger. Zusätzlich aber haben Sie auch Berufsvertretungen wie die Kammern der Ärzte, der Psychotherapeuten und der Zahnärzte beteiligt. Den Vertretern der beruflichen Pflege verweigern Sie trotz Antrag jede Mitwirkung. Nicht einmal beratend ziehen Sie die einzig legitimierte Stimme der professionellen Pflege in Bremen – den Bremer Pflegerat – heran. Das ist unseres Erachtens anachronistisch und kurzsichtig. Ist doch die Pflege personell und zeitlich größter tatsächlicher Leistungserbringer in Krankenhäusern und ambulanter Gesundheitsversorgung.

Zumal Ihre Gesetzesbegründung zur Schaffung des Landesgremiums sich auf die bekannten demografischen und krankheitsbedingten Zukunftstrends der Gesundheitsversorgung bezieht:

a) die erhebliche Zunahme des Anteils an älterer und hochaltriger Bevölkerung (Alterung) und

b) die Versorgung von an vielen Alterskrankheiten Leidenden in Krankenhäusern, Arztpraxen, Pflegeheimen, ambulanter Pflege etc. (Multimorbidität, Alterserkrankungen).

Es ist offenkundig nicht zielführend, vor diesem Hintergrund die Pflege in Bremen auszuklammern. Versorgungsbrüche und -probleme existieren natürlich im medizinischen Bereich zwischen behandelnden Ärztinnen und Ärzten, aber nicht minder im Bereich der Pflege sowie – nicht zuletzt – zwischen Pflege und Medizin. Die professionelle Pflege ist für die notwendige Koordination von Leistungen und die Kooperation der beteiligten Berufsgruppen eine Kerndisziplin und dafür laut Sachverständigenrat der Bundesregierung in Zukunft unverzichtbar. Von Ihnen wird somit ohne Not die Chance verpasst, der Pflege in Bremen durch Mitwirkung an der Systemgestaltung endlich die Bedeutung und Wertschätzung entgegenzubringen, die ihr zusteht.

Im September 2013 haben 1.600 Pflegende in Bremen für bessere Arbeitsbedingungen und berufliche Selbstbestimmung demonstriert. In Ihrem Redebeitrag vor diesen demonstrierenden Kolleginnen und Kollegen haben Sie betont, dass diese „die Wertschätzung des Bremer Senats für die Pflege schon sehr bald spüren“ würden. Nach über einem Jahr nehmen die Pflegenden in den Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen, der ambulanten Pflege und der Bremer Pflegerat davon nichts wahr! Es sind keine Verbesserungen der schlechten Lage der Pflege greifbar.

Im Gegenteil, Sie lassen uns mit Ihrer Entscheidung gegen die Mitsprache der Pflege spüren, wer für Sie in Bremen das Sagen in der Pflege haben sollte: Arbeitgeberverbände der Sozialwirtschaft!

Konkret richtet sich unsere Kritik vorrangig auf zwei verfehlte Aspekte Ihrer Entscheidungen:

1. Landesgremium ohne Pflegeberufe geplant

Die Pflege wurde von Ihnen an keiner Stelle in den Gesetzgebungsprozess eingebunden. Das Landesgremium wurde von Ihnen bewusst ohne Stimmrecht für die Pflege geplant. Sie billigen lediglich pflegefernen Lobbys einen mitberatenden Sitz ohne Stimmrecht zu (vgl. nachfolgenden Punkt 2).

2. Arbeitgebervertretung statt Pflegevertretung

Dieser einzige Sitz geht lt. Gesetz an „die in der Freien Hansestadt Bremen maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen (…) der Pflege“ (Landesgremiumgesetz §2(3)). Diese sind für Sie offensichtlich zwei Arbeitgeberverbände der allgemeinen Sozialwirtschaft: Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e. V. (bpa) und Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Bremen e.V. (LAG). Diese Entscheidung darf unseres Erachtens so keinen Bestand haben. Zumal beide Arbeitgeberverbände zur Positionierung der Pflege in Krankenhäusern (SGB V) keinerlei Anspruch auf Mitsprache haben, sondern diese höchstens in der Langzeitpflege im Bereich der Pflegeversicherung (SGB XI) und der „Hilfe zur Pflege“ der Sozialhilfe (SGB XII) für ihre Partikularinteressen reklamieren dürften. Der Bremer Pflegerat ist zurzeit die einzige Organisation im Land Bremen, die die Gesamtinteressen der Pflege aus allen Bereichen der Sozialgesetzgebung abbildet. Durch die Vertretung der neun Berufsverbände im Land Bremen bündelt der Bremer Pflegerat das berufliche Know-How der professionell Pflegenden in Bremen.

Offenkundiger kann unseres Erachtens die Mißachtung der von uns vertretenen „Interessen der Pflege“ kaum zum Ausdruck gebracht werden. Zumal schon vor Ihrer Einbringung des Gesetzes positive Gegenbeispiele aus anderen Bundesländern vorlagen. So haben die beruflichen Interessenvertretungen der Pflege in Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern teils sogar mehrere Plätze mit Stimmrecht in den dortigen neuen Landesgremien erhalten.

Ihre Aufgabe ist es, die unterschiedlichen Interessen zwischen Arbeitgebern der Sozialwirtschaft und dem Bremer Pflegerat zu moderieren. Ihre deutliche Absage an eine regelmäßige Beteiligung der Pflegeberufe ist das falsche Signal für die Gestaltung der Gesundheitsversorgung der Zukunft im Land Bremen.

Der Bremer Pflegerat sieht Ihre Vorgehensweise als schlagendes Argument dafür, dass die Pflegenden in Bremen endlich eine berufliche Interessenvertretung auf Augenhöhe mit den anderen Heilberufekammern benötigen. Die Einrichtung einer Selbstverwaltung der Pflege in Form einer Pflegekammer in Bremen wird unsere zentrale Forderung bleiben, so lange wir mit Fehlentscheidungen wie dieser konfrontiert werden.

Wir würden es begrüßen, wenn Sie zu unserer Forderung nach einer Mitwirkung am Landesgremium anlässlich Ihrer einleitenden Worte auf unserem Pflegefachtag am 19.11.2014 kurz Stellung nehmen würden. Hierfür danken wir Ihnen im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Ilona Osterkamp-Weber

für den Bremer Pflegerat

Comments are closed.